Segeltörn 08.09.2012 bis 16.09.2012 – Bericht und Bilder: Markus P.
Wir übernehmen unsere “WAVE” im THINIUS-Hafen in Lemmer am Ijsselmeer in den Niederlanden. Alle Crew-Mitglieder verfügen bereits über mehrjährige Erfahrung auf Yachten.
Ein Törn nach England stand schon lange auf der Wunschliste. Spätestens seit dem Kauf des eigenen Schiffes im Jahr 2011 sollte die Insel auf eigenem Kiel erreicht werden. Einige mögen denken, dass eine Bavaria 32 etwas klein für die Nordsee wäre, aber auf der anderen Seite ist sie wesentlich größer als die bisherigen “kleinsten Bavarias” und i.d.R. halten auch kleine Großserienboote weit mehr aus als die Mannschaft.
Wie bereits auch schon mehrfach auf dem Ijsselmeer (in der Spitze immerhin bis zu 48 Knoten Wind) hat sie sich nun auch bei bis zu 32 Knoten Wind auf der Nordsee gut bewährt. Man sollte ein so kleines Boot auf längeren Törns nur nicht mit zu großer Mannschaft segeln. 3 bis 4 Segler sind ideal.
Um die Unterhaltskosten im Rahmen zu halten, läuft die WAVE in der Vercharterung (auch oft als Kaufcharter bezeichnet). Das lohnt sich zwar nicht wirklich finanziell, bringt aber zumindest einen Teil der Kosten ein.
Samstag, 8. September 2012
Die WAVE war an diesem Wochenende erst am Mittag frei, so dass wir am Morgen noch in Ruhe in Lemmer für den einwöchigen Törn einkaufen konnten. Auch eine Gastlandflagge “England” (oder ist es doch GB) war dabei und so konnten wir pünktlich gegen 13.00 Uhr ablegen – England wir kommen !
Aufgrund des schönen Wetters war auf dem Ijsselmeer noch einiges los. Aber zum Glück gibts ja auf See keinen Stau und wir kamen gut durch.
Da wir keinen Wind haben, müssen wir motoren. Gegen 0.00 Uhr haben wir aber bereits das Ijsselmeer hinter uns gelassen und sind an der Nordseesluis Ijmuiden. Hier wird zum Glück Tag und Nacht geschleust, so dass wir im Nu auf der Nordsee sind.
Sonntag, 9. September 2012
Lange schon haben wir die Schleuse Ijmuiden hinter uns gelassen. Auf der Nordsee, besonders in Küstennähe, ist auch einiges los . . . man sieht zig Schiffe am Horizont, alle weit weg.
Erst in der Dämmerung werden wir das Verkehrstrennungsgebiet kreuzen, bis dahin bleiben wir (hoffentlich) allein. Einige Schiffe liegen hier in Küstennähe noch vor Anker. Gleich muss ich die 1. Wache übernehmen – – alles ist ruhig.
Jipijeah – morgens alle an Deck, wir fahren nur mit Fock und leichter Motorunterstützung mit 6 Knoten Richtung England. Weit und breit kein Schiff, der schönste Moment !
An der Küste war heute Nacht noch viel Verkehr. Etliche Tanker und eine Bohrinsel haben wir passiert. Erst hatte ich Wache, dann standby bei Carstens Wache und um 5 Uhr kam Gerhard wieder an Deck. Nun sind wir alleine auf weiter Flur . . . Ahoi
Tag auf See
Sommer, Sonne, Meer, nichts als Meer
Ein herrlicher Tag den wir mit viel schlafen, sonnen und lesen verbringen. Gerade haben wir den 1. Tanker seit langem gesehen. Mittlereile segeln wir unter Vollzeug und hoffen rechtzeitig die Küste zu erreichen. Heute abend sind bis zu 7 Windstärken angesagt und noch dazu aus der falschen Richtung. Ausserdem muessen wir bis 23 Uhr da sein, sonst geht es auch noch gegen das ablaufende Wasser den River Orwell hoch.- das hatte heute nacht zum Glueck perfekt gepasst. Wir sind bei Flut rausgefahren und der Strom hat uns gut mitgeschoben. Die ganze Zeit müssen wir nur einen etwa um 10 bis 15 Grad versetzten Kompasskurs segeln, um einen wahren Kurs ueber Grund von 250 Grad hinzukriegen (ebenfalls wegen des Gezeitenstroms).
Spannend die Nordsee und schön. Hoffentlich wird sie nicht weiter mit Windparks zugeballert ! Genug sinniert, nun heisst es mal wieder Kaffee kochen.
Abends, 19.00 Uhr
England in Sicht.
Wir rauschen bei 4 Windstärken mit 7,5 Knoten der Küste entgegen !
Geschätzte Ankunftszeit 23.00 Uhr.
20.30 Uhr
Mittlerweile haben wir 22 Knoten Wind – sind froh, dass wir gerade in den River Orwell einlaufen. Segel haben wir auch schon runter. Motor ist repariert (dieser war heissgelaufen, nachdem der Seewasserfilter aussah wie unser Flusensieb im Trockner, muss schon auf dem Ijsselmeer passiert sein, die war ein einziger Algenteppich – das Nordseewasser hingegen sauber und blau). Jetzt muessen wir noch ca. 2 Std. den Fluss rauf bis Ipswich, dort gibts den berühmten Pub Pin Mill. Ob wir dort heute abend noch ein wohlverdientes Bier und Fish and Chips bekommen ?
0.00 Uhr
Die “Wave” ist sicher fest, wir haben Pounds gewechselt und sitzen draussen vor einer Bar und essen Burger + Chips. Ach ja, ein, zwei Bier haben wir uns auch verdient !
Gleich nur noch schlafen, haben uns telefonisch mit dem netten Hafenmeister frühstens gegen 12.00 Uhr zum Einklarieren verabredet.
Montag, 10. September 2012
So um 12.00 Uhr regten sich wieder erste Lebenszeichen auf dem Schiff.
Mittlerweile haben wir die Hafengebühr für 3 Nächte bezahlt, die WAVE in eine richtige Box verholt und ausgiebig gefrühstückt. Der Hafenmeister hat uns gleich einen ausführlichen Stadtrundgang erklärt und etliche Prospekte und einen Stadtplan mitgegeben. Brauchte uns zum länger hierbleiben aber nicht zu überreden. Heute kachelt es richtig, erst ab Mittwoch ist Besserung angesagt. Wir liegen gemütlich im Hafen und geniessen die Ruhe.
Tagsüber:
Ipswich – Coole Stadt, echt alt (aber das ist ja alles in England).
Es gibt einen Handelshafen, in dem jährlich mehrere Millionen Tonnen Frachtgut umgeschlagen werden. Ipswich liegt an der Mündung des Flusses Orwell.
Die Siedlung kann bereits in verschiedenen zeitlichen Epochen nachgewiesen werden: Für die Steinzeit, Eisenzeit und Römische Zeit sind bereits archäologische Ausgrabungen erfolgreich durchgeführt worden. Die angelsächsische Siedlung ist als „Gippeswic“ (latinisiert wohl von Gippevicum oder Gypsuicum) überliefert. König Johann Ohneland verlieh der Ortschaft Stadtrechte im Jahr 1200. In den darauffolgenden vier Jahrhunderten entwickelte die Stadt einen lebhaften Handel des Suffolk cloth mit dem europäischen Kontinent. Hier befand sich auch eine Niederlassung der Hanse und seit 1746 eine Brauerei, die Greene King Brewery.
Kardinal Thomas Wolsey, Sohn eines Fleischers, wurde in Ipswich um 1475 geboren. Er gründete das College der Stadt 1528. Im Jahr 1555 wurden die Märtyrer von Ipswich, Protestanten, wegen ihres Glaubens verbrannt. Von 1611 bis 1634 wurden von Ipswich aus der Großteil der Auswanderer in die Neue Welt verschifft. In Massachusetts wurde daher eine gleichnamige Stadt gegründet. Der erste Rasenmäher der Welt wurde 1832 in Ipswich produziert.
Abends:
Butt & Oyster – diesen berühmten Pub konnten wir keinesfalls auslassen !
Dienstag, 11. September 2012
River Orwell – gleich geht´s wieder los, heute Nacht ist Ankerliegen in der Mündung des Rivers angesagt.
Der Plan ist, bis zur Mündung runterzufahren und ein paar Stunden dort zu ankern, bevor es morgen früh wieder auf die Nordsee Richtung Holland geht. Mal sehen ob Gerhard auch richtig gerechnet hat (in der Stunde, die er dafür gebraucht hat) und wir heute Nacht nicht 90 Grad auf der Seite im Schlick liegen . . .
Fluss: River Orwell
So, wir liegen an einer Mooringtonne am Rand des River Orwell. Ob wir trockenfallen werden wir heute Nacht merken, um ca. 03.00 Uhr wird Niedrigwasser sein – noch haben wir aber 2,90 m unterm Kiel . . . mach doch mal einer ein paar Rühreier zum Bier !
Mittwoch, 12. Oktober 2012
6.30 Uhr Local-Time:
Wir sind zum Glück nicht trockengefallen. Gerhards unbarmherziger Wecker hallt durchs Schiff – den kennen wir doch noch von unzähligen Anker(-fehl) Alarmen aus dem letzten Jahr im Mittelmeer. Die Nacht war unruhig: Strom + Gezeiten verursachten ein sich ständig drehendes Schiff gegen das die Wellen schlugen. Nun ist der Kaffee gekocht, die Sonne geht auf und es kann losgehen.
11.00 Uhr
Mit Wind 13 kts aus West segeln wir zunächst etwas nördlicher als den direkten Kurs nach Ijmuiden, um uns nördlich der Windradfelder und VTG halten zu können.
Ein letzter Blick auf die englische Küste, nun sind wir auf der Nordsee und verlassen den GSM-Funkbereich. Hoffen uns morgen früh wieder aus Ijmuiden, Nordseekanal, zu melden.
Nachts auf der Nordsee bei 30 Knoten Wind, Regen und Kälte.
Eine schreckliche Nacht: Anstatt der angesagten 4 bft kämpften wir uns gegen 6 – 7 bft durch die unbarmherzige Nordsee. Bis auf einen kleinen Rest Fock haben wir alles weggenommen und rauschen der Kueste entgegen. Alles ist nass, noch keiner hat geschlafen – Segeln zum abgewöhnen. Zudem habe ich festgestellt, dass mein altes HH-Ölzeug einer Erneuerung bedarf. Schon bei den ersten Schauern hat es mich völlig durchnäßt. Als ich dann bei der 2. Wache wieder nach oben komme, geht es erneut gegen den waagerechten Regen und wir müssen sogar noch das letzte Stück Groß wegnehmen (obwohl wir am Abend schon ins 2. Reff gegangen waren). Da kommt Freude auf, besonders, wenn einem das Meerwasser den Rücken runterläuft bis in die Schuhe.
Donnerstag, 13. September 2012
Die Festland-Küste in Sicht kommen wir doch noch nicht hin. Bei gefühlter 2 Meter Nordseewelle müssen wir vor Ijmuiden aufkreuzen. Wir wollen nach Hause !
Endlich, 13,10 Uhr Hafeneinfahrt Ijmuiden, stundenlanger Kampf gegen Wind, Welle und Regen. Wir sind fix und alle, jetzt noch schnell durch den Kanal und dann gleich schlafen.
Nach 36 Stunden Kampf endlich im Sixhaven.
Freitag, 14. September 2012
Sixhaven – Amsterdam
Der Sixhaven liegt im Zentrum von Amsterdam am IJ. Auf der anderen Seite des IJ’s liegt der Hauptbahnhof (Centraal Station). Vom IJsselmeer und der Nordsee ist der Hafen mit stehendem Mast zu erreichen. Um in die Innenstadt von Amsterdam zu kommen, sind auf Laufabstand (ca. 5 Minuten Weg) zwei Gratis-Fähren. Die Überfahrt zum Hauptbahnhof dauert etwa 5 Minuten. Die Fähren fahren Tag und Nacht.
Samstag, 15. September 2012
Wir haben die WAVE von Salzkruste befreit, Burger + Fritten gegegessen, klar Schiff gemacht und uns ausgiebig erholt. Gleich legen wir ab Richtung Enkhuizen !
Wind 13 – 15 kts aus West – der Sturm ist vorbei.
Unsere Richtung ist Nord-Ost. Wir mussten in Amsterdam noch eine halbe Stunde kurven, da die Tankstelle vor der Oranjesluis belegt war. In der Zeit haben wir das Reff wieder ausgebunden und versucht die defekte Achterleuchte zu reparieren (ohne Erfolg). Das Lager des Steuerrades ist im Sturm ausgeschlagen, wir werden versuchen heute abend zu reparieren. Apropos, heute mittag gab’s mal wieder Erbsensuppe (wir hatten noch 2 Dosen davon). – Noch 2 Stunden bis Enkhuizen.
21.13 Uhr – Endlich fest in Enkhuizen.
Ruderanlage repariert, nun etwas essen und gute Nacht !
Sonntag, 16. September 2012
Letzter Schlag nach Lemmer.
Wir sind früh aufgestanden, haben die letzten Aufbackbrötchen gemacht und abgelegt um 11.30 Uhr – neuer Rekord – wir wollen zu unseren Familien !
Am Ende der Woche sind wir wieder um einige Erfahrung reicher, die WAVE hat einige Seemeilen mehr auf der Logge und war zum ersten Mal in England !
Während der ganzen Zeit haben wir unsere Position über InstaMapper geblockt, so dass unsere Familien zu Hause verfolgen konnten, wo wir gerade waren.
Das Revier.
Die südliche Nordsee ist ein anspruchsvolles Gezeitenrevier und die am dichtesten befahrene Schifffahrtsregion der Welt. Grund zur Vorsicht und nautische Herausforderung zugleich.
Die Gezeiten werden durch die Gezeitenwelle aus dem Nordatlantik ausgelöst, da die Nordsee selbst zu klein und zu flach ist, um einen nennenswerten Einfluss zu haben (durchschnittlich 50 m tief). Ebbe und Flut wechseln sich in einem Rhythmus von 12,5 Stunden ab. Die Gezeitenwelle läuft aufgrund der Corioliskraft um Schottland herum die englische Küste entlang (entgegen dem Uhrzeigersinn). Am größten ist der Tidenhub an der englischen Südküste, wo 6,8 Meter erreicht werden.
Die kürzeste Distanz zwischen der holländischen und englischen Ostküste beträgt 100 Seemeilen. In unserem Fall waren es von Ijmuiden bis an die Mündung des River Orwell etwa 130 Seemeilen. Somit ist ein Nachtschlag Voraussetzung für eine Überfahrt nach England.