Ein Überführungstörn mit der SY Verano im August 2015

Nur segeln ist schöner!

Der Auftrag: Yachtüberführung von Madeira/P nach Falmouth/UK (1.300sm), mein Streckenanteil vom 9.8. ab Lissabon/P (800sm)
Die Route: Funchal – Lissabon (Cascais) – Porto (Leixoes) – Brest (Camaret-Sur-Mer) – Falmouth

Nachdem ich am 7.8. erneut angesprochen wurde, mich an einer Yachtüberführung zu beteiligen, habe ich kurzerhand zugesagt und einen Flug nach Lissabon nur zwei Tage später gebucht, da ich diese tolle Yacht schon lange einmal segeln wollte. Die SY Verano wurde 1982 auf Kiel gelegt und befindet sich mit hochwertiger Ausstattung in einem echten Liebhaberzustand! 2010 erfolgte eine neue, dunkelblaue Rumpflackierung und auch das gesamte Teakdeck wurde vollständig erneuert. Mehr Details dazu unter: http://www.segelclubalster.de/galerie. Besonders gefreut hat mich dabei, dieses elegante Schiff weitab von der Küste auf offenem Wasser zu segeln und noch viel mehr, die Segelfreundschaft mit dem Yachtmanager Rainer Seehase zu begründen – Chapeau Rainer!

Als ich am Sonntagabend nach einem ausgiebigen Crew-Dinner kurz vor Mitternacht an Bord ging, habe ich einfach mein Gepäck in meiner Backborddoppelkoje abgelegt und schon ging es los – auf nach Porto! Die erste Crew bestand zunächst aus nur einem Profiskipper und einem jungen Segler, der die Verano seit etwa einem Jahr kennt. Die Atlantikpassage wurde zuvor in 4-5 Segeltagen erfolgreich absolviert. Bei der Ansteuerung auf Lissabon nahm jedoch der Wind in den letzten 10 Stunden auf bis zu 44 Knoten zu und wehte vermehrt aus Norden. Insofern wollte der Skipper die Segel bergen und den Motor anwerfen. Als jedoch der Anlasser auch nach mehreren Versuchen seinen Dienst versagte, blieb nur Aufkreuzen im dritten Reff und Sturmfock bzw. Kuttersegel auf dem Vorschiff – gegen an! Auch das Einlaufen ohne Maschine in den Tejo River verbot sich bei starkem Verkehrsaufkommen, sodass die Verano in den vor Lissabon vorgelagerten Hafen von Cascais eingeschleppt werden musste. Ein neuer Anlasser war bereits angeliefert und wurde vor meiner Ankunft noch am Samstag eingebaut. Mit einsatzbereiter Maschine ging es nun zu Dritt weiter nach Porto bzw. in den vorgelagerten Industriehafen von Leixeos. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen und rasch haben wir uns als Team zusammengefunden. Die (Einzel-) Wachen wurden vom Skipper tagsüber im 4- und nachts im 3-Stunden-Rhythmus gesegelt. Auch wenn die beiden nach der anstrengenden Lissabon-Ansteuerung erst einmal genug vom Segeln hatten, wollte ich ganz gerne Segel setzen, aber die kontinuierliche Südströmung (Portugalstrom) und vorherrschend aus Norden wehende Winde (Norder!) ließen uns keine Chance. So motorten wir bei einer mäßigen, langen (12s) Dünung von 3-4 Metern durch die Nacht und den folgenden Tag, schließlich stand für den Skipper eine pünktliche Delivery im Vordergrund. In den letzten 5 bis 6 Stunden vor unserem Zielhafen zogen sich dicke Nebelpakete zusammen und die Sicht reduzierte sich auf annährend Null Meter – plötzlich waren wir ein „moving target“ für die Großschifffahrt. Unsere Radarantenne drehte sich munter, erzeugte aber leider nicht das erhoffte Bild. Also aktiven Radarreflektor an, zur Unterstützung der besseren Sichtbarkeit in Verbindung mit unserem feucht-nassen Großsegel und dazu engmaschige AIS-Überwachung. Auch wenn die zahlreichen Fischerreusen vor der portugiesischen Küste schon lange nicht mehr auszumachen waren, konnten wir doch mit dem AIS-Signal zumindest der Berufsschifffahrt und den vielen Fischerbooten einigermaßen zuverlässig ausweichen. Bei der Endansteuerung auf Leixoes klarte es erfreulicherweise wieder vollständig auf, sodass wir dort sicher einlaufen und dienstags nach rund 160sm gegen 04:40 Uhr auch sicher fest machen konnten. Die erste Etappe war erfolgreich geschafft und die Yacht lag nun pünktlich für den nächsten Crew-Wechsel bereit. Nach wenigen Tagen Aufenthalt traf die neue Crew um den Yachtmanager und neuen Skipper, Rainer Seehase am Mittwoch und Donnerstag ein und die Verano wurde fertig gemacht für die nächste Etappe (reinigen, bunkern, 400l Diesel und 700 l Trinkwasser tanken, etc.). Fortan waren wir zu fünft und liefen am Donnerstag gegen 18:00 Uhr aus, in Richtung britischer Südküste. Die Navigations- und Wetterstrategie war, zunächst hoch am Wind in den offenen Atlantik auszulaufen, um dort (hoffentlich) günstigere Windbedingungen für den langen Nordkurs zu finden und zugleich das aufkommenden Tief abzuwettern, dass sich mit 9 bft auf die Biskaya zubewegte. Gute Strategie, aber leider viel zu wenig Wind, sodass wir bei lediglich nur noch 2 Knoten Fahrt im Schiff und deutlich abfallender Höhe, schließlich entnervt wieder den guten, alten Perkinson anwarfen und ganze zwei (!) Tage gen Norden motorten – ätzend! Das Atlantiktief zog erwartungsgemäß durch die Biskaya und hinterließ uns eine sportliche Dünung von teilweise sogar über 4 Metern, aber langen Wellen. Ach ja, die Fische hatte ich natürlich auch schon am ersten Tag nach Lissabon gefüttert, sodass ich inzwischen robust seefest war. Alleine das Kochen und Spülen unter Deck gelang mir anfangs noch nicht so gut, aber am Ende war auch das O.K. Und dann, endlich Wind … und das auch noch aus der richtigen Richtung. Ich habe sogar noch in der nächtlichen Hundewache die Segel gehisst. Überhaupt, die Hundewache! Vor der durchgehend 4-stündigen Crew- und Wacheinteilung machte sich einer unserer Segelkameraden Dieter besonders stark für die wenig populäre Hundewache im O-Ton: „völlig unproblematisch“. Auf meine anfängliche Erleichterung folgte die rasche Ernüchterung unmittelbar auf den Fuß – ich wurde zusammen mit Dieter für die Hundewache eingeteilt und zwar für den Rest des Törns. Mein Glück war nahezu perfekt, als Dieter schließlich noch seekrank wurde und für die folgenden 3 Tage lediglich seine Schlafkoje gegen einen sicheren Schlafplatz am Oberdeck wechselte. Aber der wiederkehrende, nächtliche Sternenhimmel war von 02:00 bis 06:00 Uhr wirklich immer wieder atemberaubend und so segelte ich sicher durch die lauwarmen Nächte – immer wieder Dieter im Augenwinkel, damit er gut gesichert an Bord blieb – was für ein Erlebnis !
Nach weiteren zwei sehr schönen Segeltagen und durchschnittlich 6,5 bis 7 Knoten Fahrt im Schiff liefen wir allmählich auf die britische Kanalmündung zu und entschlossen uns, einen schönen und wohlverdienten Landaufenthalt vor der französischen Nordwestküste einzulegen. Nachdem Dieter endlich wieder genesen war, konnte er gar nicht mehr aufhören, von der köstlichen Seafood-Platte zu schwärmen, die wir anschließend tatsächlich auch alle sehr genossen haben. Zu den leckeren Austern und anderen Schalentieren gab es noch einen gut gekühlten Riesling aus dem Elsass. Doch auch hier steckt der Teufel wieder im (technischen) Detail: Nach mehrtägiger Fahrt wollten wir gleich bei der Ankunft Diesel bunkern und legten sehr souverän und professionell an der Tankstelle vor der Hafeneinfahrt an, um das Boot vom Salzwasser zu reinigen und zu betanken. According to Murphys Law sprang natürlich der gute alte Perkinson wieder nicht an, als wir an der Reihe waren und auch der (gerade zuvor in Lissabon neu eingebaute) Anlasser hielt sich außergewöhnlich geräuschlos zurück. Sollte sich unser Perkinson tatsächlich als Anlasserkiller gerieren? Nach kurzer Alarmierung der Ersatzteilversorgungskette konnte unser Skipper unkonventionell einen französischen Bootstechniker gewinnen, sich dieser Herausforderung kurzfristig zu stellen. Nach nur 10 Minuten: Entwarnung, es war nur ein Kabelbruch bzw. ein kleineres, elektronisches Problem und unser Törn konnte am nächsten Tag planmäßig weitergehen. Endlich gab es auch wieder schöne Warmwasserduschen und schon hat sich das nach 4 Tagen auf See „etwas angestaubte Bordaroma“ rasch wieder verflüchtigt, als wir uns für den lang ersehnten Landgang fein machten – und die frischen Meeresfrüchte, … einfach lecker! Am nächsten Morgen wurden wir von unserer herzlich guten Fee, der lieben Alexandra, die uns abends im Seafoodrestaurant noch liebevoll und sehr zuvorkommend bedient hat, mit einem opulenten Frühstück überrascht – unglaublich!
Gut gestärkt und wohl gelaunt liefen wir am frühen Nachmittag zu einem günstigen Stromfenster in nördliche Richtung auf unseren Zielhafen Falmouth zu und querten in weniger als einem vollen Tag die britische Kanalmündung. Besonders erstaunlich war für mich die außergewöhnlich starke Strömung und vor allem die vielen Kreisel bzw. Wasserstrudel oder „Races“ bei der Passage der französischen „Ile d’Ouessant“. Es ist wirklich unglaublich, wie stark die vielen, diversen Strömungen auf den Bug einer soliden, 22 Tonnen schweren Segelyacht drücken und vom Zielkurs abdrängen können. Damit wird sehr sorgfältiges und feinfühliges Rudergehen zur ersten Pflicht des Steuermannes! Bei ruhiger See laufen wir in einem erneut atemberaubenden und farbenprächtigen Sonnenuntergang auf die britische Südküste zu und Dieter gibt wieder alles, um seinen Vorlieben für die routinemäßige Hundewache auch in vollem Umfang gerecht zu werden. Für mich nimmt sich das als entspannte Endansteuerung aus und ich konzentriere mich fortan auf die Navigation über und unter Deck . Nach unserer Wachübergabe in den frühen Morgenstunden gegen 06:00 bis 07:00 Uhr frischt der Wind erwartungsgemäß deutlich auf und erreicht 5, in Böen sogar 6 Windstärken. Auch der Wellengang wird sehr kurz, kabbelig und teilweise auch sehr heftig – zum Glück steuern wir eine relativ große und robuste Yacht durch zunehmende Kreuzseen und Wellen aus verschiedenen Richtungen. Bei reichlich Wind und zunehmenden Schauerböen trübt sich auch die Sicht deutlich ein, sodass wir in der Endansteuerung wieder auf unsere GPS-/AIS-Technik angewiesen sind und auch den einen oder anderen Heulton einer Boje am Leuchtturm zu schätzen wissen. Schließlich gehen 3 Mann auf Ausguck und wir segeln kurz vor Mittag sicher in den Vorhafen von Falmouth. Die anschließenden Manöver kann man nur ehrwürdig als ausgesprochen cool und souverän bezeichnen: Unser Skipper Rainer hat mit seinen mehr als 50 Jahren Segelerfahrung unkonventionell wieder das Ruder übernommen, lässt die Genua IV in der Endansteuerung bei 5 bft. „on-the-flight“ bergen, macht einen kurzen Aufschießer zum Yachthafen, um mit unverminderter Geschwindigkeit unser Großsegel zu bergen und den Motor zu starten (er sprang tatsächlich beim ersten Mal an), damit wir mit der verbleibenden Restfahrt im Schiff absolut professionell, sicher und smooth an unserem Anleger festmachen konnten – Chapeau Rainer, besser geht es nicht!

Die verbleibenden, beiden Tage verbrachten wir bei andauerndem Nieselregen in einem idyllischen und auch sehr romantischen Fischerdörfchen Falmouth und nutzten die gewonnene Zeit zum Klönen und Erkunden der Umgebung (Verteidigungsfestung, schöne Strände, historische Hotels im viktorianischen Baustil sowie zahlreiche, wunderschöne und sehr gepflegte, exotische Gartenanlagen). Nachdem bereits die halbe neue Crew an Bord ging, nutzten Einige noch die Gelegenheit für eine kurze Bootsfahrt entlang des Truro-River. Die Einheimischen waren sehr freundlich und verfügten über den üblichen und weit verbreiteten, britischen Humor: „what a nice and pleasant day, today … – oh, yes indeed!“. Zu guter Letzt überließ uns die Crew eines benachbart gelegenen, 70-Fuß-Charter-Katamarans schließlich freundlicherweise noch zwei übrig gebliebene Kisten Wein und nach gut 12 Tagen und insgesamt rund 800sm mit Rainer an Bord der Verano war mein Segelabenteuer schon wieder zu Ende … und es wird nicht das letzte an Bord dieses wunderbaren Schiffes gewesen sein. Auch meine Rückreise war (trotz der vorabendlichen, sehr üppigen Weinprobe) völlig unproblematisch, sodass ich am 22.8. wieder pünktlich und wohl behalten in Düsseldorf gelandet bin – q.e.d!

Farewell Verano!