Begrüßung des Meeres      
 
  Unermeßlich und unendlich,
Glänzend, ruhig, ahnungschwer,
Liegst du vor mir ausgebreitet,
Altes, heil'ges, ew'ges Meer !
 
 
 
Denn ein großer, stiller Friedhof
Eine weite Gruft bist du,
Manches Leben, manche Hoffnung
Deckst du kalt und fühllos zu;
 
 
 
Soll ich dich mit Jubel grüßen,
Jubel, wie ihn Freude zollt,
Wenn ein weiter, reicher Garten
Ihrem Blick sich aufgerollt ?
 
 
 
Wie des Gartens üpp'ge Wiesen
Ist dein Plan auch glatt und grün,
Perlen und Korallenhaine
Sind die Blumen die dir blühn.
 
 
 
Sollen Tränen, soll mein Jubel
Dich begrüßen, Ozean ?
Nicht'ger Zweifel, eitle Frage,
Da ich doch nicht wählen kann !
 
 
 
Zu dem Herrn empor mit Tränen
War mein Aug' im Dom gewandt;
Und mit Tränen grüßt' ich wieder
Jüngst mein schönes Vaterland;
 
   
 
 
Soll ich dich mit Tränen grüßen,
Wie die Wehmuth sie vergießt,
Wenn sie trauernd auf dem Friedhof
Manch ein teures Grab begrüßt ?
 
 
 
Keinen Grabstein wahrst du ihnen,
Nicht ein Kreuzlein, schlicht und schmal,
Nur am Strande wandelt weinend
Manch ein lebend Trauermal. -
 
 
 
Denn ein unermeßner Garten,
Eine reiche Flur bist du,
Edle Keime deckt und Schätze
Dein kristallner Busen zu.
 
 
 
Wie im Garten stille Wandler
Ziehn die Schiffe durch das Meer,
Schätze fordernd, Schätze bringend,
Grüßend, hoffend, hin und her -
 
 
 
Da doch auch der höchste Jubel
Mir vom Aug' als Träne rollt,
So wie Abendschein und Frührot
Stets nur Tau den Bäumen zollt.
 
 
 
Weinend öffnet' ich die Arme,
Als ich der Geliebten nah;
Weinend kniet' ich auf den Höhen,
Wo ich dich zuerst ersah.
 
  Anastasius Grün
 
 

 
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