Nicht genug damit, dass die Radschläger Kanalisationsdeckel verzieren, als Türgriff
herhalten müssen und als Rubbedidubsouvenir an jedem Kiosk an Touris vertickt werden, nein, sie
segeln auch noch auf dem Unterbacher Weiher.
Nun bin ich ja ein mehr als hinreichend Unterbach-Geschädigter:
Vor Jahren segelte alles an mir vorbei, weil ich unbemerkt eine meterlange Schleppe Seegras
bremsend hin mir her zog. Jahre später mein gekonnter Abgang ins eiskalte Wasser beim
morgendlichen Betreten meiner Jacht, die noch am Steg befestigt war. Erzählt das bloß nicht
weiter! Vor zwei Jahren dann ein Fall akuter Materialschwäche: Im ersten Lauf brach die obere
Befestigung der Ruderanlage ab. Das ist doch mehr als genug, dieses Revier zu meiden.
Ich weiß auch nicht genau, welcher Teufel mich ritt, in diesem Jahr wieder mal den Weg in
die Landeshauptstadt zu suchen. Erwachende Frühlingsgefühle und dieses Zucken in den Fingern,
mal wieder an der Schot zu ziehen? Der Winter war aber auch einfach zu lang! Also Boot aus der
Garage gezerrt, alles einmal aufgebaut und kontrolliert und dann wieder sauber verpackt,
angekuppelt und los ging's.
Das Tor zu Sauerland stand weit offen und schon nach wenigen Minuten war die Landesgrenze erreicht:
Da kannze ma seh'n, dat Ruhrgebiet fängt derekt hinter et Sauerland an: European Capital of
Culture 2010. Das Schild an der Autobahn ist nicht zu übersehen und es wäre wirklich nicht nötig
gewesen, deswegen auch noch eine Baustelle mit Tempo 60 einzurichten. Abba op dat mit de Capital
au noch alles so klappt? De Paaty auffe A 40 is ja auch noch nich unter Dach un Fach un nu knausert
de Herr Krupp auch noch mit dat Kapital für de Capital of Culture. Ma seh'n wie dat alles so wird.
Endlich die lange Steigung zur Abfahrt Wuppertal-Nord. Hier muß ich meinem Gefährt immer Mut
zusprechen, damit es wenigstens mit Tempo 60 marschiert. Dann aber ging es zügig durch die
Baustellen Richtung Düsseldorf.
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin war schon vor Ort und Kalle natürlich auch. Er hat ja
seinen Sommerwohnsitz auf dem Campingplatz, natürlich mit Seeblick, der auch nicht mit Geranien
und Jägerzaun verstellt ist.
Um 17:30h dann trafen sich die grauen Panther am Tor, um mit dem Großraumtaxi in die City zu fahren.
Mit Blick auf die silbernen Resthaare der Teilnehmer an diesem Besuch der Altstadt
bekommt der Begriff 'Alt' eine ganz neue, aber zutreffende Bedeutung. Jochen Forker
machte den Stadtführer. Er ist zwar Düsseldorfer mit unüberhörbarem Migrationshintergrund, aber er
weiß Interessantes zu
berichten. Am Rheinknie wurden wir in der Nähe des Fernsehturms abgesetzt. Jochen erzählte von den
alten Hafenbecken, die zugeschüttet wurden, um dann Spielwiese internationaler Architekten zu werden.
Von der Tristesse der alten Lagerhäuser in dieser Gegend ist nichts mehr zu spüren. Spektakuläre
Kunst am Bau wohin auch das Auge blickt. Die Planer und Architekten durften sich wirklich austoben.
Futuristisch-absurde Formen von krumm über gebogen bis schief: Der MedienHafen. Wir staunten, nahmen
einen kleinen Schluck zur Stärkung (Theresa nahm zwei) und spazierten dann entlang der Uferpromenade
am Parlamentsgebäude vorbei Richtung Altstadt. Herrlichstes Wetter. Mehr Jung als Alt bevölkerte
die Rasenflächen: Grill, Getränke, Musik und 'Spaß an der Freud'. Allerdings, keine Radschläger!
Sie sollen ja seit der Schlacht bei Worringen im Jahre des Herrn 1288 ihr Unwesen treiben. Nicht
weil bei dieser Erbauseinandersetzung Tausende von Menschen abgeschlachtet wurden, sondern weil das
Dorf an der Düssel im Gefolge des Gemetzels das Stadtrecht erhielt. Damals hatte das Dorf zwei bis
dreihundert Einwohner.
Unter der Rheinkniebrücke tauchten wir dann ab und ein in die Altstadt. Sie ist nur einen halben
Quadratkilometer klein, aber sie beherbergt etwa 300 Gastronomiebetriebe. Ich hatte das noch nie
gesehen und lief wahrscheinlich die ganze Zeit mit offenen Mund herum. Es war ja noch früher Abend,
aber Zehntausende von Menschen belagerten die Kneipen und tranken 'dat leckere Dröppke', Altbier,
gebraut nach dem Reinheitsgebot, das Kurfürst Jan Wellem den Brauern auf's Auge gedrückt hat.
Jan Wellem (Johann Wilhelm von der Pfalz, 1658-1716), ein Zeitgenosse Louis XIV von Frankreich zechte
selbst hin und wieder mit den Bürgern in der Altstadt. In den 26 Jahren seiner Herrschaft wandelte
sich Düsseldorf zur Metropole und zur Stadt der schönen Künste. Sein absolutistisch geprägter
Geltungsdrang und seine aufwändige Hofhaltung verschlangen ungeheure Summen. Bei seinem Tod war
Düsseldorf pleite. Das allerdings hinderte die Düsseldorfer nicht daran, dem Mann noch zu seinen
Lebzeiten ein Denkmal zu setzen. Da hockt er nun auf seinem Streitross, auf dem Kopf seinen Kurhut,
in den Händen die Insignien seiner Macht und schaut gelassen oder gelangweilt dem Treiben der Leute
an der längsten Theke der Welt zu. Jochen lotste uns zielsicher zur Kneipe 'Zum Schlüssel'. Dichter
Belagerungsring vor den Türen, 440 Sitzplätze im Inneren. Das Altbier aus der hauseigenen Brauerei
kam ungefragt und schmeckte einfach gut.
Die Kölner und die Düsseldorfer hacken ja seit 1288 (oder etwas später) gerne
aufeinander rum, aber hier findet sich eine Gemeinsamkeit: Der Köbes in einer Kneipe in Köln
fragt auch nicht lange. Er stellt dat Stänksken mit Kölsch einfach auf den Tisch. Wer hier oder
dort eine Apfelschorle oder einen trockenen Weißen verlangt, der hat wahrscheinlich schlechte Karten
(man hält ihn glatt für einen Botaniker). Um 22 Uhr 30 suchten wir unseren Weg durch
die Menschenmassen zum Taxistand. Unvorstellbar ! Das war wie in Köln auf 'Der Alter
Markt' beim Karneval. Krachlederne Bayern mit Pinsel am Hut, ein ausgewachsener Knut in orangefarbenen
Bärenkostüm. Ein Niederländer? Nederland is van noord tot zuid ORANJE! Und über einer der Kneipen
war zu lesen 'Ruhe war Gestern'. Das stimmt. Wohnen möchte ich in diesem Viertel nicht.
Am Samstag wurde dann gesegelt. 21 Kämpen waren am Start. Frank Sinde zog die Flaggen. Er
verordnete uns zum Auftakt drei Runden. Im zweiten Lauf erhöhte er auf fünf. Der Wind hackte
unangenehm und an gelassenes Hängen war nicht zu denken. Kreuz-Bube Friedhelm machte bei der
Halse einen so fetten Stich, daß man ihn und seine Rennziege in mühsamer Arbeit aus dem Seeboden
ausgraben mußte. Er versucht möglicherweise immer noch, das Segel zu säubern. Im dritten Lauf,
nach der Mittagspause, wurde es noch unangenehmer. Die Badesaison war eröffnet. Jörg und Kai
erschwammen das Seepferdchen und Rolli wollte überhaupt nicht mehr aus dem Wasser. Er war aber
zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, denn ein glücklicher Petrijünger hatte ein paar Tage zuvor den
drei Meter langen Wels nach hartem Kampf an Land gezogen. Nicht auszudenken was hätte passieren
können: So ein Wels besteht vorne ja nur aus Maul.
Am Ende siegte Blümchen souverän mit 4 Punkten vor Manni Pütz und Jürgen Mölders.
Der Sonntag war Ruhetag. Null Wind und somit alle Zeit zum Packen. An dieser Stelle Dank dem
Orgateam und den helfenden Händen, die uns an diesem Wochenende über die Maßen verwöhnten.
Bis die Tage dann . . .
Wolfgang Munkenbeck,
Lupus O - 1310 |