Die letzte grosse Ära der Segelschifffahrt war in der Zeit
von 1818 bis 1920 und wurde durch die wirtschaftlicheren und schnelleren
Dampfschiffe beendet. Aus dieser Zeit stammen die Seemannslieder, die zu
den extrem harten Arbeiten an Bord der Segelschiffe gesungen wurden:
die sogenannten Shanties.
Der Ursprung dieser Bezeichnung findet sich im französischen "chanter"
und dem englischen "chant". Beide Verben
bedeuten "singen". Das Shanty ist sicher eine
der bekanntesten Formen der "worksongs".
Viele Matrosen wurden gewaltsam entführt und bei schlechter
Unterbringung und geringem Lohn zur Arbeit an Bord gezwungen
(in der Seemannssprache: "sie wurden schanghait"). Kaum
geschützt gegen Kälte, Wind und Feuchtigkeit, dazu noch
einseitig und vitaminarm ernährt, erkrankten viele Seeleute an
Skorbut, Gelbsucht, Rheumatismus und anderen Krankheiten.
All diese Bedingungen, die manchmal geradezu an Sklaverei
erinnerten, spiegelten sich in den bei den verschiedensten
Tätigkeiten gesungenen Shanties wider.
Das Gangspill- oder Capstanshanty
("capstan" ist die englische Bezeichnung für
"Gangspill") wurde bei Arbeiten an der Gangspill, einer
senkrecht stehenden Schiffswinde, die vor allem zum Hieven des
Ankers benutzt wurde, gesungen. Die Seeleute marschierten dabei
um die Winde herum und schoben die Stangen, die in den Spillkopf
gesteckt waren, vor sich her.
Beim Segelsetzen erklang eine andere typische Form der Shanties,
die man Halyard- oder Fallshanty nannte.
Das Walkawayshanty (stamp and go song) war eine besondere
Art dieser Form. Es wurde bei Wendemanövern gesungen oder
wenn, wie beim "Aufheißen" (Heraufziehen) eines Beibootes,
zwei Taue gleichzeitig geholt werden mussten. Anstatt am selben
Platz stehenzubleiben und die Taue durchzuziehen, zogen alle
gemeinsam, gleichmässig über Deck stampfend, daran.
Diese Shanties dienten dazu, die gemeinsamen Arbeiten zu
rhythmisieren und wurden meist abwechselnd von einem Vorsänger
(Shantyman) und der Mannschaft (Chor) gesungen.
Forebitters nannten die Engländer die auf der Back oder
dem Vorderdeck stehenden grossen eisernen Poller, auf denen die
Matrosen bei gutem Wetter oft saßen. Nach diesen wurden die
"Pollerlieder" benannt, welche im Gegensatz zu allen anderen Shanties
in der Freizeit und meist zu Instrumentalbegleitungen (Mundharmonika,
Fiedel, Banjo, Ziehharmonika u.a.) gesungen wurden. |