Die Gezeiten sind eine Folge der Gravitationswirkung (d. h. der gegenseitigen
Anziehungskraft von Massen) des Mondes, der nur 60 Erdumfänge von der Erde entfernt
ist. Sie bewirkt ein Steigen (Flut) und Fallen (Ebbe) der Wasserfläche der Meere in
rund 12 1/2-stündigen Zwischenräumen.
Aber nicht nur der Mond, auch die Sonne übt eine entsprechende Wirkung aus,
wenn sie auch infolge der sehr viel größeren Entfernung von der Erde viel geringer
ist. Dem Mond zu- und abgewendet bilden sich auf der Erdoberfläche zwei Flutberge,
die die Erde innerhalb von 24 Stunden 50 Minuten einmal umkreisen. Hochwasser tritt
also alle 12 Stunden 25 Minuten ein. Die von der Sonne und dem Mond gemeinsam
herrührende Gezeitenwelle tritt stärker oder schwächer auf, je nachdem beide
Gestirne in gemeinsamer oder entgegengesetzter Richtung wirksam sind. Bei Voll- und
Neumond verstärkt die Sonne - da sie in derselben Richtung tätig ist - die Mondflut
und erzeugt die "Springflut". Im ersten und letzten Mondviertel wirkt sie dem Mond
entgegen, es bildet sich nur eine flache, die sogenannte "Nippflut".
Wenn die Flutwelle zweimal in 24 Stunden auf einer Breite von vielen tausend
Kilometern durch die Ozeane braust, ist die Fluthöhe (der Gezeitenhub) nicht
gleichmäßig. In der Nähe der Festländer werden die Gezeiten
durch die zunehmende Seichtheit des Wassers und die Unregelmäßigkeit der
Küsten stark verändert. In offenen Ozeanen, z. B. auf kleinen
Inseln, ist der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser nur etwa 2 bis 4 Meter,
oft auch geringer als 1 Meter (Azoren), wächst aber an den Küsten, vor allem
in Buchten, wo das Wasser sich staut, bis zu 17 Meter. Zur Erzeugung dieser Flutberge
sind große Wassermassen nötig, die nur durch Herbeiströmen von den
Seiten gewonnen werden können. An buchtenreichen Küsten entwickeln sich
daher periodische Gezeitenströme, die sich in Meerengen zu Geschwindigkeiten
reißender Flüsse steigern können, so z. B. in der Straße
von Messina zwischen den Klippen von Skylla und Charybdis, die im Altertum von
allen Seefahrern gefürchtet war.
In Binnenmeeren, z. B. in der Ostsee, treten die Gezeiten nur unmerklich auf,
sie beträgt bei Kiel nur 7 cm, bei Memel sogar nur einen halben Zentimeter.
Bei den in die Ozeane mündenden Flüssen hingegen reicht die Flutwelle
oft weit hinauf. Auf der Elbe wird die Bewegung des Meeres bis 150 km aufwärts bei
Lauenburg verspürt, auf der Weser bis 67 km Tiefe, beim Amazonas reichen die
Gezeiten sogar bis 850 km hinauf, beim Jang-tse-kiang 800 km. |