Das nur zur Warnung: Ungestörtes Schlafen ist unmöglich.
Da ist zunächst das unglaubliche Sammelsurium an Geräuschen, an
dem der Skipper seine Freude hatte. Es knarrt, quietscht, pfeifft, reisst, poltert,
schlägt, pfeift, gurgelt, rauscht, klirrt, ächzt, klappert . . .
Praktisch jedes Geräusch zu dem jemals ein Wort erfunden wurde, kommt auch vor.
Dazu einige für die es einfach keine Worte gibt. Dabei übertreffen sie sich
gegenseitig an Nervigkeit und Intensität. Manchmal kommt ein neues Geräusch
dazu und man sorgt sich. Das Boot klingt dauernd, als würde sich jeden Moment
die Innenschale vom Rumpf trennen, aber ein kleines zusätzliches Plopp
irgendwo macht einen nervös.
Man liegt in diesem ohrenbetäubenden Crescendo und hört nur noch das Plopp
und wartet auf den dazugehörigen Zwischenfall.
Wunderbare selektive Wahrnehmung. Wer Segeln mit Ruhe in
Verbindung bringt, war noch nicht auf dem Atlantik. Niemals und zu keiner Zeit
ist es still und niemals liegt das Boot ruhig. Manchmal, für einen kurzen
Augenblick, in dem das Boot noch nicht entschieden hat, ob es jetzt die rechte
Flanke des Wellenberges hinunterfallen möchte oder doch lieber den linken
Steilhang hinabschiessen will, in solchen Augenblicken steht es vermeintlich
still. Eine Stille, die aber so voller tosender Erwartung steckt, was im nächsten
Moment wohl passieren wird, dass man förmlich den Atem anhält.
Die Bewegungen des Schiffes sind weich, aber unglaublich
weiträumig. Der Autopilot hällt nur im Mittel den eingestellten Kurs und das
Schiff nutzt den Spielraum reichlich. Dabei empfindet der Fast-Schlafende die
Bewegung anders als jemand der an Deck sitzt. In der Koje hat man zunächst das
Gefühl, man liegt in einer Mischmaschine. Hin und her, vorwärts rückwärts
und nochmal von vorn. Als würde eine riesige Faust das Schiff kurz festhalten,
um es dann kurz danach mit doppeltem Schwung nach vorne zu schleudern. Man
spürt förmlich die Kompression wie beim Skifahren und ist erleichtert, wenn
der Rumpf durch lautes Knirschen seine Erlösung bekannt gibt.
Zuerst fliegt das Heck (indem sich unsere Koje befindet)
in die Höhe, wie bei einem ausschlagenden Esel. Das anschliessende heftige
Rollen um die Längsachse führt dazu, dass man nur in der stabilen Seitenlage
einigermassen sicher auf der Stelle liegen bleibt, die als Schlafplatz
vorgesehen war. Gut daß ich vorher noch einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht habe.
Liegt man auf dem Bauch, schwappt man wie ein Wassersack
hin und her, nachdem man die kraftraubenden und sinnlosen Versuche sich am
Laken festzuhalten, eingestellt hat. Aus den vorderen Kojen hört man Gerüchte
über Sprünge und Hopser. Wenn ich es mir noch einmal durch den Kopf gehen
lasse, erinnert es mich schon ein bisschen an die zappelnden Fische, die wir
gelegentlich am Haken haben . . .
Trotz dieser ständigen KakoKinophonie finden die Leute
genügend Schlaf, um zu träumen. Papa träumt davon, daß das Schiff beigedreht
ganz ruhig liegt und er deshalb wach wird. Andreas träumt, daß er aus dem Zug
auf die Nachbargleise fällt und stocksteif den Shinkansen auf sich zurasen
sieht. Ich träume davon, Plankton zu sehen und daß mir der Masttopp der Tordo
entgegenfällt, als ich versuche sie an Land zu ziehen. Christian träumt von
drei-finger-dicken Steaks und Lobstern.
Interessanterweise entschliessen sich einige Gegenstände erst nach Tagen, sich
dem Rollen und Schaukeln nicht länger anzupassen, sondern stattdessen Krach zu
machen, in dem sie vehement gegen die Schranktür poltern, die sie einsperrt.
Wahrscheinlich hatten sie gehofft, die Schaukelei ginge vorbei und haben jetzt
einfach die Nase voll.
Noch 21 Nächte oder 2150 Seemeilen. |